„Bua, jetzt san d’Wagscheitl brocha…“
Pfarrer Josef Weigert, der eine „Religiöse Volkskunde“ verfasste, bat 1916 Josef Schlicht um eine volkskundliche Rezension, was dieser aber aus gesundheitlichen Gründen ablehnte: „…und dabei noch ein Altersleiden am Gallenstein mit zeitweisen Ausbrüchen. Erst gestern in der Freitagsnacht wieder! Ich kuriere mich selber mit einfachsten Naturmitteln und fahre dabei am besten. Zuvor tüchtiges Ausleeren des bereits grawelnden, weil übergalligen Magens … dann Eintreten des Schüttelfiebers, dann reichlichster Schweißausbruch und dabei bis jetzt noch immer die mächtig rasche Verdampfung des zwar unangenehmem, aber alterserträglichen Leberschoppers, genannt Gallenstein“

Etwas enttäuscht über die Aufnahme seines Werks beim Publikum sinniert der alternde Schlicht resignierend in seiner Antwort an Josef Weigert: „Ich wollte nichts anderes, als den Bauern in Altbayern allein eine Freude bereiten. Und wie haben sie mir das vergolten? Verstanden haben sie es nicht, ja sogar mit Dummheit und Bosheit einen Ehrenbeleidigungsprozess auf den Hals mir gebracht, mit welchem sie zum Glück bei Gericht abgefahren sind. Erst über die Grenze Altbayerns, im protestantischen Mittelbaden, am meisten im katholischen Westfalen und wieder im protestantischen Niedersachsen bis nach Bremen hinauf, wurde ich mit Freude und Liebe gelesen, was ich gar nicht beabsichtigte und am allerwenigsten hoffte. Freilich, verstanden haben mich diese Leser ebenfalls nicht, aber ja nicht etwa aus Dummheit, durchmischt mit Bosheit, wie bei uns, sondern ganz allein wegen der Mundartschwierigkeit“.
Zum „Ehrenbeleidigungsprozess“ ist Folgendes zu bemerken: Die Schilderung eines Erlebnisses hätte Schlicht fast vor den Richter gebracht. Es ist die Geschichte vom „Krugelfuchs“. Als das Buch mit der Erzählung über diesen Menschen zum ersten Mal erschien, lebte dieser noch, er erfuhr davon und eilte zum Advokaten. Schlicht, dem auf die Zuschrift des Rechtsanwalts schwül wurde, sammelte bereits Zeugen für die Wahrheit seiner Erzählung, erhielt aber vom Gericht die Mitteilung, dass die Klage wegen Verjährung abgewiesen sei.
Josef Weigert fragte nun bei Schlicht an, ob ihm sein Besuch in nächster Zeit angenehm sei. Schlicht antwortete auf einer Karte vom 28. Februar 1917: „Wählen Sie nur den Tag aus! Ich bin immer zu Hause. Und dann wird es mit der Zwiesprache schon gehen! Schlicht“.
Es wurde dann leider doch nichts daraus. Ein Brief seines Neffen vom 13. April 1917 teilte Weigert nur mit: „Herr Benefiziat, geistlicher Rat Schlicht, ist zur Zeit krank und schwach und daher nicht in der Lage, Ihre interessante Arbeit … durchzusehen … Sein Leberleiden setzt ihm in letzter Zeit sehr zu; er nimmt schon fast 14 Tage gar keine Nahrung mehr, nur etwas Wasser mit Fruchtsaft. Wollen hoffen, dass der geistliche Rat sich wieder herausreißt – aber wie Gott will!“
Noch an seinem Sterbebett wurde deutlich, woraus Josef Schlicht sein ganzes Leben lang schöpfte wie kaum ein anderer. Als sich am 18. April 1917 der Bischöflich Geistliche Rat Josef Schlicht im Alter von 85 Jahren mit den Worten „Bua, jetzt san d’Wagscheitl brocha“ von seinem Freund Niggl und von dieser Welt verabschiedete, starb mit ihm nicht nur ein urwüchsiger Seelsorger, sondern auch ein Klassiker der bayerischen Volkskunde.