Studienjahre in Metten und Regensburg

Es folgen nun acht Lateinschul- und Gymnasiumsjahre im Benediktinerkloster Metten. Dort gehörte er „niemals unter die Ersten, aber auch unter die Letzten niemals, sondern jedes Mal und unentwegt zur Kern- und Mittelgruppe“, so schildert er später diese Jahre. Am 12. August 1852 erhielt Schlicht das Reifezeugnis. Eigentlich wollte er an der Universität studieren, doch scheiterte dies am fehlenden Geld. In dieser Zwangslage richtet er ein erfolgreiches Gesuch an „Seine Bischöflichen Gnaden“ um Aufnahme ins Klerikalseminar: Nach dem Studium am Lyzeum waren die religiösen Übungen im Priesterseminar an der Reihe. Am 12. August 1856 erhielt Schlicht die Subdiakonats- und am Tag darauf die Diakonatsweihe. Am 16. August desselben Jahres wurde er im Hohen Dom zu Regensburg von Bischof Valentin von Riedel zum Priester geweiht. Als „Supernumerarius“ (wörtlich: „Überzähliger“) wurde er eingesetzt, wo er gerade nötig war.




Schlichts Hochschulzeugnis von 1855

(aus: Rupert Sigl, Josef Schlicht - Der rechte treue Baiernspiegel, Rosenheim 1982)


Schlichts Reisen

Vor seiner Priesterweihe 1856 wollte der junge Mann noch etwas von der Welt sehen. 1853 reiste er so nach Prag, Dresden, Berlin, Hamburg. In Hamburg erlebt er eine internationale Stadt, wundert sich über die „14 – 18 thousands of joy-girls“, sieht ganze Züge von Auswanderern. Dann geht es weiter nach Braunschweig, Leipzig, nach Vierzehnheiligen und Bamberg und endlich nach München.

Den Süden erwandert Schlicht in seinem ersten theologischen Jahr, 1854: Kochelsee, Murnau, Hohenschwangau, Hindelang und Immenstadt, nach Lindau und Konstanz. Im nächsten Jahr wandert er über Ulm, Straßburg und Chalons auf die berühmten „Katalaunischen Felder“. Paris war ihm mehr als eine Messe wert. Auf der Rückreise steigt er bei einem Landpfarrer in Burgund ab. Dann ging es über Basel und Zürich nach Einsiedeln. Von seinen mindestens 20 Reisen, von denen er später viele aus Steinach antrat, sind noch zu nennen: Böhmen, Franken, Oberschwaben, drei nach Kärnten, Tirol, die Steiermark und Vorarlberg, Rheinland und ins Oberland, Wien und Ungarn.

 

Schlicht verliebt, aber abgebrannt!

Dr. Rupert Sigl schreibt im „rechten treuen Baiernspiegel“: „Als er auf der Heimkehr von seiner Nordenfahrt an einem Abend in froher Runde sein Herz an ‚Amalie’ verlor und ihre offenbar einseitige Liebe in einem Gedicht besingt, mochte ihm seine finanzielle Ohnmacht und Misere noch grausamer erschienen sein: ‚Nur Tränen können wir vergießen… Die Lieb ist in uns viel zu kräftig, als dass sie in uns bleiben soll’“.

So hat auch die unabdingbare Not das Problem der Liebe mit entschieden. Obschon ein Pfennigfuchser von Kleinauf, ging es Schlicht gerade in dem Jahr vor der Priesterweihe sehr nass ein. Er stand sogar mit seinem Talar in der Kreide.

 

Erste Stationen seiner geistlichen Laufbahn

Zwischen 1856 und 1870 war Josef Schlicht an fünf verschiedenen Orten als Kooperator beschäftigt: 1856 in Ensdorf, 1857 in Ergoldsbach, 1858/59 in St. Nicola in Landshut, 1859-69 in Oberschneiding, 1869/70 in Tunding, 1870 in Stadtamhof. Die Gemeinden, an denen Schlicht tätig war, wiesen unterschiedlichen Charakter auf. Schlicht war sowohl mit rein bäuerlich-ländlicher als auch mit städtischer Struktur durch seine Versetzungen vertraut. Damals sprach noch niemand von Priestermangel, sodass er in Oberschneiding fünf Jahre als Unter- und zweiter Kaplan und fünf weitere als Ober- und einziger Kaplan beim Pfarrer und Dechant Tobias Leutner verbrachte. Bei diesem Muster an volksnaher Seelsorge lernte Schlicht seine Gäubodenbauern sehr genau kennen.

 

Der „kloa Herr“ von Schneiding

Schlicht schreibt in seiner Autobiographie über diese Zeit: „Diese gäuländische Zeit, namentlich die frühere Hälfte, war überaus schön, so schön, dass ihm der Gedanke oder gar das Fieber, auch einmal Pfarrer zu werden, nicht im entferntesten kam …. Im Verkehr mit der ganzen rund umliegenden Geistlichkeit fehlte nichts; denn auf allen vier Weltecken des Pfarrsprengels hatte er einen Bauern, der einen Schießer für ihn bereit hielt, im Sommer mit Kutsche, im Winter mit Schlittengeißl, einige Zeit gab es sogar einen habsburgischen Husarenbraun aus dem italienischen Feldzug von 1859 zum Ausritte.“




Der ehemalige Pfarrhof in Oberschneiding, erbaut 1858
(aus: Rupert Sigl, Josef Schlicht - Der rechte treue Baiernspiegel, Rosenheim 1982)


 

Als Josef Schlicht am 3. September 1859 in dem mächtigen Gäudorf Oberschneiding eintraf, war dort Josef Pritzl erster Kaplan, „da grouß Herr, der beinahe siebenthalb Schuh lang war (Anm.: über 2 Meter)“. Er besaß zu seiner großen Kooperatur die entsprechende leibliche Höhe und Dicke wie eine gute alte bayerische Stundensäule, und dazu die gesetzte, ernste, ruhige Gangweise, Gebärde und Rede. Wenn „da Kloa und da Grouß zu Weihnachten, Ostern oder Pfingsten dem Pfarrer levitierten, ging in der Tat beim Friedenskuß der Kloa dem Groußn nur bis zum Nabl“.

Schlicht war nicht nur in seiner Kindheit ein quicklebendiger Junge; diese Eigenschaft ist ihm bis ins Alter erhalten geblieben. Einen jähen Schrecken jagte er einer abergläubischen jungen Mutter ein. Er musste als so genannter „kleiner Herr“ (d.h. Unterkooperator) wegen Abwesenheit des Oberkooperators ihren Knaben taufen. Als die Hebamme mit dem Kind heimkam, die Frage: „Was für einer hat ihn denn getauft?“ Und sogleich die Wehklage der Wöchnerin: “Mein Gott, möchte mir der Bub ein rechter Unend (=Auftreiber) werden!“. Die kreuzbrave Bauersfrau, welche den kleinen Herrn (vielleicht nicht ganz ohne Grund) für allzu lebendig hielt, bangte (darin natürlich ohne Grund), dass derselbe bei der Taufe seine Lebendigkeit und damit ein strampelndes Temperament auf ihren Säugling übertragen hätte.

Schneiding, diese Bauernmetropole, darf sich rühmen, Schlichts Bild vom Baiern und Bauern wesentlich geprägt zu haben. Die Pfarrei und die umliegenden Bauerndörfer bildeten den Goldgrund zu unzähligen Szenen und Bildern (Sigl).

Erste schriftstellerische Schritte

In die 1850er Jahre fiel die erste Beschäftigung Schlichts mit volkskundlichen Schriften. Gegen Ende der Oberschneidinger Zeit (um 1868) wurde Schlicht von Georg Aichinger, dem Schriftleiter des „Straubinger Tagblatts“ gebeten, Beiträge für die Zeitung zu liefern. Aichinger war mit Schlicht in Metten und dessen Beichtvater in Azlburg. Schon bald erkannte Aichinger Schlichts schriftstellerische Begabung.




Er brachte Schlicht zur Schriftstellerei: Georg Aichinger, Redakteur und Beichtvater
(aus: Rupert Sigl, Josef Schlicht - Der rechte treue Baiernspiegel, Rosenheim 1982)



Unter dem Titel „Von der Hienharter Höhe“ (ein Gutshof in der Nähe von Oberschneiding) erschienen ab dem 18. Juli 1868 unregelmäßige „Landskizzen“ von Schlicht im „Straubinger Tagblatt“. Waren es am Anfang lustige Geschichten, die gern gelesen wurden, so entstanden nach und nach auch ernste politische und kirchliche Artikel. Schlicht liebte die Leute, so wie sie waren, mit ihrem Dorfjux, wie sie einander aufzwickten, miteinander kämpften, die Kleinen gegen die Großen. „Dem Seniorbauern“ und der „Plendlbäuerin“, bei denen er ein- und ausging, hat er seine besten Portraits gewidmet. Das vielsagendste Kulturbild malte er vom „Aumer von Gmünd“, der von einem tollwütigen Hund gebissen, wochenlang dem Tod vor Augen, seine wahre Größe im Sterben erreichte.

 

In Tunding und in Regensburg

Schlicht berichtet in seiner Autobiographie über seine weiteren Einsätze: „Im Jahre 1870 folgten der weniger schwere Kaplanposten und das Pfarrprovisorat in Tunding und 1871 … die Kommendistenstelle auf dem Benefizium zu Stadtamhof; ebenfalls ein schönes Jahr mit all jenen vielen Anregungen, welche das hochbegehrte kirchliche Geistes-, Vereins- und Kunstleben Regensburgs unter der Bistumsführung des Bischofs Dr. Ignatius von Senestrey jederzeit reichlichst bietet“.

Für den Schriftsteller und Volkskundler war Tunding-Lengthal ungewöhnlich fruchtbar. In diesem abgelegenen Holzland fand Schlicht das alte Brauchtum besser erhalten als in dem noblen, echten Gäudorf Schneiding. Hier notierte er bei einer Hochzeit, was wir später in seinem Büchlein als „Landhochzeit“ finden.