Schlichts volkskundliches Werk
Schlichts Erzählungen kamen so gut an, dass auch andere Zeitungen und Zeitschriften Interesse zeigten. Mit den Artikeln in Straubing erschienen Beiträge im „Augsburger Sonntagsblatt“, später (1879 – 1887) im „Schreibkalender“ von Passau, in den „Oberpfälzer Blättern“, im Landshuter „Schreibkalender“ und sogar im Bremer „Nordwest“. Weitere Beiträge veröffentlichte Schlicht im „Cäcilienkalender“ und in der „Niederbayerischen Monatsschrift“.

Seite aus dem Manuskript von Josef Schlicht mit
Steinacher Geschichtsquellen für die Unterhaltungsbeilagen des „Straubinger
Tagblatts“, erschienen 1881 – 1883
(Gemeindearchiv Steinach)
Die Artikel, die im „Straubinger Tagblatt“ und im „Augsburger Sonntagsblatt“ erschienen waren, fasste Schlicht zusammen zu dem Buch „Bayerisch Land und Bayerisch Volk“, das 1875 – also bereits in seiner Steinacher Zeit – auf den Markt kam. Es stand am Anfang einer Reihe von Schlicht-Publikationen, die sich in drei Bereiche einteilen lassen: geschichtliche Abhandlungen – Darstellungen des Bauern in Niederbayern – Theaterspiele. „Bayerisch Land und Bayerisch Volk“ wird bis heute als Schlichts gelungenstes Werk gelobt.
Weitere Publikationen Schlichts sind (in chronologischer Reihenfolge):
- Blauweiss in Schimpf und Ehr (Amberg 1877)
- Altbayernland und Altbayernvolk (1886)
- Die altbayerische Landhochzeit (Amberg 1889)
- Altheimland (Bamberg 1895)
- Niederbayern in Land, Geschichte und Volk (Regensburg 1898)
Folgende Theaterspiele hat Josef Schlicht im Selbstverlag herausgegeben:
- Der Kletzwabi seine Friedl (Straubing 1897)
- Die Kavalierswette (Kempten 1903)
- Der Planetentoni (Kempten 1904)
- Sieben heitere Volksspiele für die Vereinstheater in Stadt und Land (Regensburg 1904, 1912 erneute und um drei Stücke vermehrte Auflage).
Josef Schlicht – ein „Klassiker der bayerischen Volkskunde“
„Josef Schlicht – Klassiker der bayerischen Volkskunde“ – die Lehrerin Franziska Hager formulierte im Jahr 1927 als Erste diese Aussage im „Chiemgau“, die in der Folgezeit von vielen übernommen und weiterentwickelt wurde. Als Teilgebiete der Volkskunde kommen heute insbesondere in Betracht: Haus, Arbeit und Gerät, Volkskunst und Realien, Kleidung und Tracht, Keramik, Möbel, Hinterglasbilder, Imagerie (d.h. in fabrikmäßiger Massenproduktion hergestellte Bilder jeder Art), Nahrung, Volksmedizin, Aberglaube, Volksfrömmigkeit, Brauchtum und Fest, Volksschauspiel, Volksmusik, Volkserzählungen, volkstümliche Lesestoffe, Soziales und Recht. Schlichts Veröffentlichungen sind dabei den Volkserzählungen und den volkstümlichen Lesestoffen zuzuordnen. Mit dichterischer Sprachkraft ließ er Alltagspointen zur Volkspoesie geraten (Stefan Mohr). Schlicht hat seine Aufsätze und Bücher nicht für Gelehrte geschrieben. Sein Werk, wie er selbst sagt, „soll und will sein der ‚rechte treue Baiernspiegel’, aus dem das Volk herausschaut, wie es gestalten – wirklich lebt und leibt“. Schon Martin Greif, der Schlichts Leistung für die Volkskunde der des unsterblichen Aventin auf dem Gebiet der Geschichte gleich stellte, riet: „Wer das altbayerische Volk kennenlernen will, wie es leibt und lebt, glaubt und liebt, freit und stirbt, der muss Schlicht lesen“. Bis heute ist Schlichts Werk als Selbstdarstellung der bayerischen Seele unübertroffen. Kein Volk kann einen gleichwertigen Charakterspiegel von „kollektiver Gültigkeit“ aufweisen wie der bayerische Stamm (Rupert Sigl).
Schlicht als Heimatforscher und Historiker
Es muss ein unbeschreibliches Erfolgserlebnis für Josef Schlicht gewesen sein, als er am 9. Dezember 1878 nach langem Suchen in einem verstaubten Schrank im „Federnkammerl“ des Bauhauses das Steinacher Schlossarchiv entdeckte. Kurz zuvor hatte die Familienforschung den königlich-preußischen Oberst Hans Herwart von Bittenfeld nach Schloss Steinach geführt und er hat wohl den Steinacher Schlossbenefiziaten für die Geschichtsforschung begeistert. Schlicht wertete nun systematisch die gefundenen Urkunden des Schlossarchivs und noch weitere hinzuerworbene aus, schrieb sie häufig vollständig ab und veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in den Unterhaltungsbeilagen des „Straubinger Tagblatts“ der Jahre 1881 bis 1883 unter dem Titel „Steinach. Ein niederbayerisches Geschichtsbild von Joseph Schlicht“. Schlichts 200-seitiges Manuskript wurde der Gemeinde Steinach im Jahr 2000 günstig zum Kauf angeboten und gehört heute zu den archivalischen und kulturellen Schätzen unserer Gemeinde. Manuskript und Unterhaltungsbeilage enthalten jedoch – entgegen der Überschrift – nur die Darstellung des Edelsitzes und der Pfarrei. Dorfschaft, Schlosskaplanei (Benefizium) und Schule sollten erst später dargestellt werden.
In den Jahresberichten des Historischen Vereins für Niederbayern in Landshut veröffentlichte Schlicht 1886 eine Kurzfassung der Unterhaltungsbeilagen, jedoch ergänzt um Benefizium, Schule und Dorf unter dem Titel „Steinach und dessen Besitzer“. Auch der Aufsatz „Zwei Herrschaften in Steinach“, veröffentlicht von Josef Schlicht in den Verhandlungen des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, Bd 7/1904, ist hier zu nennen.
1908 brachte Schlicht bei Attenkofer in Straubing das Buch „Die Geschichte von Steinach“ heraus, wobei er die weitere Entwicklung von Steinach bis zum Zeitpunkt der Herausgabe des Buches darstellte (z.B. auch den Bau des Neuen Schlosses), vieles aus den obigen Veröffentlichungen übernahm und ergänzte, manch Interessantes aber (z.B. die holländische Windmühle auf dem Kellerberg) aus Platzgründen wegließ. „Die bündige Wahrheit“ nannte es Schlicht, als Abt Benedikt Braunmüller an seiner „Geschichte von Steinach“ „zu wenig wissenschaftliche Form“ fand. Und in der Tat, es fehlen wissenschaftliche Anmerkungen und Quellennachweise in dem Buch. Das Werk ist jedoch im Zusammenhang mit den Unterhaltungsbeilagen und dem wissenschaftlichen Aufsatz „Steinach und dessen Besitzer“ zu sehen. Dort sind im Text die Fundstellen angeführt, die Schlicht verwendet hat, insbesondere das später leider versehentlich verbrannte Steinacher Schlossarchiv. Der Steinacher Pfarrer Gerhard Mass ließ 1996 anlässlich der Primiz von Stefan Altschäffl einen Nachdruck der „Geschichte von Steinach“ in einem verkleinerten Format fertigen. „Saulburg und seine Geschichte“ lautet ein Aufsatz von Josef Schlicht, den er im Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung im Bd. 3/1900 veröffentlicht hat.
Sein Buch „Niederbayern in Land, Geschichte und Volk“ ist die erste Monographie des bayerischen Unterlandes und sollte ein Pendant zum „Rheinhardstötter“ werden. In 34 Abschnitten behandelt das „Buch für Stadt und Land“ die Vorstufen, auf denen das Leben der Gegenwart erblüht. Richtig erkannte Schlicht die lange umstrittene Herkunft der Baiern: „Es waren mehrere Mischvölker, die sich früh und leicht zu einem einzigen Staatsvolke verschmolzen …. Die Bajuwaren bildeten den führenden Oberstamm“. Diese These des Mischvolks bestätigten die archäologischen Ausgrabungen im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts, vor allem das Gräberfeld in Straubing, Bajuwarenstraße. Der Stoff, den Schlicht bewältigen wollte, ist viel zu umfangreich, um auf 250 Seiten historisch entwickelt zu werden. Nach Rupert Sigl begnügt sich Schlicht sowohl bei seiner Geschichte von Steinach wie auch in seiner Geschichte von Niederbayern, damit, die Urkunden zu sammeln. In „Niederbayern in Land, Geschichte und Volk“ übernahm er die Forschungsergebnisse, wenn auch zumeist von zuverlässigen Forschern, und reihte sie ohne innere Kritik zu einem Mosaik zusammen. Dieser Versuch ist, wie auch Dr. Höpfl schon betonte, „nicht ganz gelungen“. In dem Buch erscheint auch eine Autobiographie von Schlicht selbst, auf die in der vorliegenden Arbeit immer wieder zurückgegriffen wird.
Mehr als zwölf Jahre betrieb Schlicht gezielte Geschichtsforschung, selbst in den Ferien, mühsam und unermüdlich in den weithin verstreuten Quellen und wälzte nebenbei, wie seine Notizen belegen, unzählige Arbeiten über bayerische Geschichte durch, um gelegentlich Rückschlüsse auf niederbayerische Verhältnisse zu ziehen. Ungedruckt blieb seine Arbeit über die „Kaiserkrone im Haus Wittelsbach“, die vom Verleger als „viel zu voluminös“ bezeichnet wurde, da „sie schon für sich fast ein kleines Buch bildet“. Nach Sigl scheint das Manuskript in unbekannte Hände gekommen zu sein.
Sigl bedauert Schlichts historisches Schaffen, denn dadurch sei die schöpferische Quelle verschüttet worden: „Er hat mindestens zwölf Jahre seines Schaffens an die Geschichtsforschung verschwendet, und darunter wurde seine schöpferische Quelle verschüttet …. Angesichts der Freiheit, die ihm die Herrschaft (Anm.: August von Schmieder) schenkte, ist es erstaunlich, wie wenige Geschichten er noch schreibt, obwohl sein Benefizium jetzt praktisch zu einer Sinekure geworden war und er bei den vielen Aushilfen ringsum viel neuen Stoff erfährt“.